Jahrbuch Ehingen 2018 45
Unter Kaiserin Maria Theresia, vor allem aber unter ihrem
Sohn, Kaiser Joseph II., wirkten sich die Ideen der Aufklä-
rung, nämlich Naturrecht und Nützlichkeitsdenken, auch auf
die Kirche aus und wurden dort durch die staatlichen Behör-
den umgesetzt.
So ordnete die vorderösterreichische Regierung und Kam-
mer zu Freiburg 1784 an, dass der Ehinger Magistrat an Cor-
poris Christi den paradierenden Schützen nichts mehr vom
Säckelamt – von der Stadtkasse – abgeben dürfe, vielmehr
habe „… diese Verrichtung […] zur Ehre Gottes [- sprich gra-
tis -] zu beschehen“.
Darüber hinaus wurden bald auch zahlreiche Kult- und Fröm-
migkeitsformen, wie zum Beispiel zahlreiche Prozessionen,
gänzlich abgeschafft, die man nun als überflüssig und schäd-
lich ansah.
Wie verwurzelt diese aber in der Bevölkerung waren ist daran
abzulesen, dass unmittelbar nach Bekanntwerden des Ab-
lebens Josephs II. am 20. Februar 1790, die drei wichtigs-
ten Zunftmeister als Vertreter der Ehinger Bürgerschaft den
Magistrat bedrängten, dafür zu sorgen, dass all „jene alther-
gebrachte Andachtsübung, wozu das Volk ein besonderes
Zutrauen heget, wieder eingeführet werden möchten“. Dazu
zählten sie ausdrücklich neben den Ösch- auch die Fron-
leichnamsprozessionen.
Schon im folgenden Jahr 1791 fiel das Fest dann offenbar
ganz besonders glanzvoll aus, paradierte doch das seiner
Zeit in der Stadt stationierte k. u. k. Militär.
1805/06 fielen bekanntlich die zur Habsburger Monarchie ge-
hörigen Gebiete Süddeutschlands zum großen Teil an das
spätere Königreich Württemberg. Die Bürgerschaft wurde
entwaffnet.
Erst zu Anfang der 1820er Jahre setzten Bemühungen zur
Neugründung einer Bürgerwache ein. Dabei spielte deren
frühere Mitwirkung an Fronleichnam und die Teilnahme an
der Prozession eine zentrale Rolle.
Die gemeinsame Initiative von Stadtpfarrer Johann Nepomuk
Vanotti und Stadtschultheiß Joseph Vogt war schließlich er-
folgreich und „Vermög höchsten Dekrets“ vom 22. Mai 1821,
genehmigte König Wilhelm I. die Lieferung der notwendigen
Waffen aus dem königlichen Arsenal in Ludwigsburg.
Als Aufgaben der neuen Bürgergarde werden damals aus-
drücklich die feierliche Begehung des Geburtstages des Kö-
nigs sowie die Mitwirkung an der Fronleichnamsprozession
genannt.
In dieser Form hatte die Bürgergarde bis ins Revolutionsjahr
1848 Bestand, als sie sich auflöste. Nach längerer Pause er-
folgte dann im Sommer 1861 die Gründung der heutigen Bür-
gerwache. Im folgenden Jahr erhielt sie wieder eine Fahne.
Neben ihrer Mitwirkung an der Aufrechterhaltung der öffent-
lichen Sicherheit und Mithilfe bei Feuersbrünsten, trat sie
insbesondere wieder bei kirchlichen und bürgerlichen Fei-
erlichkeiten in Erscheinung. Seit 1874 wurde ihr Auftritt am
Fronleichnamsfest zudem nachweislich mit Musik begleitet.
Die Durchführung des Zapfenstreichs am Vorabend von
Fronleichnam kann spätestens ab 1880 belegt werden. 1899
fand der Zapfenstreich zum ersten Mal mit „Beleuchtung
durch Lampions und farbigen Lichtern“ statt.
Und auch damals war es offenbar üblich, dass die Bürger-
schaft am Fronleichnamstag durch die Tagwache geweckt
und später bei der Prozession begleitet wurde.
So wollen wir das auch 2018 halten. Ich freue mich mit Ihnen
auf den feierlichen Gottesdienst morgen mit der anschließen-
den Prozession und heute auf die Aufführung des Großen
Zapfenstreichs, von der ich mir sicher bin, dass sie die Men-
schen berührt, den Bürgersinn stärkt und Identität stiftet.“