Jahrbuch Ehingen 2014 33
JUNI 2014
„Gerade in diesem Jahr 2014 ist der Beginn des Ersten
Weltkriegs vor einhundert Jahren in den Blickpunkt der
Geschichte gerückt und begegnet uns bei zahlreichen
Gelegenheiten.
Von der epochalen Bedeutung dieses Ereignisses ist an
vielen Stellen die Rede, so dass ich bei meiner diesjährigen
kleinen geschichtlichen Betrachtung eher lokale Aspekte
erwähnen möchte.
Seit dem 19. Jahrhundert war Ehingen nicht mehr
Garnisonsstadt.
DasMilitär spielte, abgesehen von denAktivitäten desKrieger-
und Militärvereins, kaum eine Rolle. Allenfalls die Offiziere
und Unteroffiziere des Königlichen Bezirkskommandos
traten im öffentlichen Leben der Stadt in Erscheinung. Das
Bezirkskommando war unter anderem für die jährliche
Musterung und Einberufung der Wehrpflichtigen zuständig.
Auf Grund der vorausgegangenen Krisen und zunehmenden
Spannungen wurde der Kriegsausbruch nicht als
Überraschung empfunden. Am Morgen des Freitags,
dem 31. Juli um dreiviertelvier Uhr verkündete der
Bezirkshauptmann an dieser Stelle, auf dem Marktplatz, den
Kriegszustand. Umgehend erfolgten die ersten Maßnahmen
zur Mobilmachung, Militärpflichtige wurden eingezogen.
Hiervon war auch das Gymnasium betroffen, das bekanntlich
im Leben unserer Stadt eine besondere Rolle spielt. Immer
mehr der älteren Schüler wurden eingezogen oder meldeten
sich freiwillig, so dass die oberen Klassen zusammengelegt
werden mussten. Der Ausfall von Schulstunden, Ferien für
landwirtschaftliche Arbeiten, Notzeugnisse und Notprüfungen
wurden üblich. Im Verlauf des Krieges mussten insgesamt 28
Lehrer einrücken - 217 Schüler nahmen als Freiwillige oder in
Ableistung ihrer Wehrpflicht am Kriegsgeschehen teil.
Eine große Anzahl von Feldpostbriefen und Karten bezeugen
ihre weiterhin enge Bindung an ihre Schule und ihre Lehrer
auch in dieser Situation.
Das Leben der Zivilbevölkerung war im Laufe des Krieges
immer mehr von Einschränkungen und wachsenden
Versorgungsproblemen auf nahezu allen Gebieten
geprägt. Diesen versuchte man mit einem umfangreichen
Sammelwesen entgegen zu wirken. Gesammelt wurde
alles, von Altpapier über Altmetall bis hin zu Obstkernen,
Brennnesseln und Heilkräutern. Der Rohstoffknappheit fielen -
um ein Beispiel zu nennen - zuletzt noch 1917 im Juni die
große Herz-Jesu-Glocke und im Oktober das kupferne Dach
der Konviktskirche zum Opfer.
Das unermessliche menschliche Elend, das mit den Kämpfen
und Kriegshandlungen verbunden ist, blieb den Ehingern nicht
verborgen, seit in den Gebäuden des Bezirkskrankenhauses
an der Spitalstraße, im Vereinslazarett des Landesvereins
vom Roten Kreuz, neben Leicht- auch Schwerverwundete
behandelt wurden.
Zudem trafen bereits wenige Wochen nach Kriegsbeginn,
Anfang September 1914, die ersten Nachrichten von
Gefallenen ein. Die erste Todesanzeige im Volksfreund für
Oberschwaben datiert vom 3. September 1914. Karl Englert
war nur der erste von insgesamt 153 Ehingern, die schließlich
gefallen, an Krankheit oder Verwundung gestorben waren,
oder deren Vermisstenschicksal bis heute ungeklärt blieb.
Bis zum Kriegsende zählte man für Ehingen und seine heute
17 Teilorte 480 Gefallene oder Vermisste.
Allein das Gymnasium hatte zu beklagen: 40 gefallene
Schüler und drei Lehrer, vermisst wurden vier Schüler und
ein Lehrer.
An sie und an die Opfer des vor 75 Jahren begonnenen
Zweiten Weltkriegs erinnert uns das Kriegerdenkmal am
Groggensee. Ein weiteres Denkmal auf dem Friedhof ist den
in Ehingen verstorbenen Soldaten gewidmet, die nicht in ihre
Heimat überführt wurden.
Diese Denkmale sind bleibendeMahnmale für den Frieden,für
das Wohl in unserer Gesellschaft und auch den Wohlstand,
der auf dem friedlichen Zusammenleben und der Vernunft
der Menschen beruht.
Scheinbar unverrückbare Verhältnisse und Gegebenheiten
können auch auf friedlichem Wege geändert werden, dazu
erinnern uns die Ereignisse, die sich in diesem Jahr bereits
zum 25sten Mal jähren – der Fall der Berliner Mauer und
damit das Ende der Teilung Deutschlands.
Aus den friedlichen Änderungen schöpfen wir Mut für die
Zukunft, für unser Zusammenleben und unsere Freiheit.
Daran sollen uns der Text unserer Nationalhymne und der
Klang der Glocken am Ende dieses Großen Zapfenstreichs
über den Tag hinaus erinnern.“
GROSSER ZAPFENStREICH MIt
HIStORISCHER BÜRGERWACHE UND
EHRENZUG DER BUNDESWEHR
traditionell stand der Vorabend von Fronleichnam im Zeichen
des Großen Zapfenstreichs der historischen Bürgerwache
Ehingen. Oberbürgermeister Alexander Baumann konnte
neben Ehrengästen aus Gesellschaft und Politik zahlreiche
Ehinger Bürger auf dem Marktplatz begrüßen. Der Bürgerwache
Ehingen mit ihrem Kommandanten Josef Stocker und dem
ersten Vorsitzenden Alfred Kloker dankte er für die Bewahrung
dieser langjährigen tradition. Beim feierlichen Zeremoniell
dabei war auch ein Ehrenzug der Bundeswehr mit Soldaten
des multinationalen Kommandos Operative Führung mit
Generalmajor Klaus Habersetzer und Oberstleutnant Stephan
Schmidt. Exakt vor zehn Jahren, am 21. Mai 2004, haben unter
der Schirmherrschaft von General Wolfgang Schneiderhan,
damals Generalinspekteur der Bundeswehr, die Große
Kreisstadt Ehingen (Donau) sowie die historische Bürgerwache
Ehingen und das Stabs- und Unterstützungsbataillon 200,
jetzt multinationales Kommando Operative Führung, eine
gegenseitige Patenschaft übernommen. Aus Südtirol waren
Gäste der befreundeten Schützenkompanie Brixen angereist.
traditionell verband Oberbürgermeister Alexander Baumann
seine Ansprache mit einem Rückblick auf geschichtliche
Ereignisse. In seiner Rede ging er auf den Beginn des 1. Welt-
krieges vor 100 Jahren ein:
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