sPÄtgotIscHe KreuZIgungsgruPPe
FÜR DIE SPItAlKAPEllE
Eine besondere leihgabe erhielt die Stadt von den
Oberschwäbischen Elektrizitätswerken (OEW). Es handelt
sich um Figuren, die wohl in den Jahren 1480 bis 1490
entstanden sind. Der Bildhauer ist nicht bekannt. Der
Kunsthistoriker Albrecht Miller hält es für möglich, dass
Diepolt Böser von Hagnow der Bildhauer der Figuren ist.
Dieser ist 1490 in Ulm belegt. Der ursprüngliche Platz der
gebilde war in der Kirche des Klarissenklosters söflingen, im
Gesprenge eines Altaraufsatzes. Nach ihrer Unterbringung
an der Hauswand eines söflinger gasthauses im jahre
1802 wurden die Figuren 1962 von der Fassade entfernt
und restauriert. Oberbürgermeister Alexander Baumann
bedankte sich bei landrat Heinz Seiffert, dem Vorsitzenden
des Zweckverbands OEW für die leihgabe, die eine wichtige
und wertvolle Bereicherung für das Ehinger Museum darstellt.
EHINGEN IM ERStEN WEltKRIEG
2014 jährt sich der Beginn des Ersten Weltkrieges zum
100sten Mal. Aus diesem Anlass erinnerte das Museum
Ehingen in einer Ausstellung an diese epochale Katastrophe,
wobei die lokalen Aspekte im Mittelpunkt standen.
Anders als noch im 18. Jahrhundert war Ehingen seit
Beginn des 19. Jahrhunderts nicht mehr Garnisonsstadt.
Die Erinnerung an die Kriege 1866 und 1870 hielt der
1872 gegründete Veteranenverein wach. Darüber hinaus
bestand seit Anfang der 1880er Jahre ein Militärverein und
1899 wurde zusätzlich noch ein Kriegerverein gegründet.
Das aktive militär war durch die offiziere und unteroffiziere
des königlichen Bezirkskommandos im öffentlichen leben
vertreten. Seit seiner Einrichtung 1870 war es unter
anderem für die jährliche Musterung und Aushebung der
Wehrpflichtigen zuständig und befand sich zunächst in der
Pfisterstraße, bevor hierfür 1912/13 ein neues Dienstgebäude
an der Fischersteige, das heutige Finanzamt, errichtet wurde.
Zeitweise unterhielt es zudem ein Depot in den Räumen des
ehemaligen Hl.-Geist-Spitals.
Schon seit Monaten beherrschten Krisen und wachsende
Spannungen die Schlagzeilen auch auf den titelseiten der
lokalzeitung des Volksfreund[s] für Oberschwaben. Daher
wurde der Kriegsausbruch von vielen nicht mehr wirklich als
Überraschung empfunden.
Diesen verkündete der Bezirkshauptmann am Morgen des
31. Juli, der in diesem Jahr ein Freitag war, um dreiviertel vier
Uhr auf dem Ehinger Marktplatz. Die Bevölkerung reagierte
recht unterschiedlich. Während in Schülerkreisen offenbar
eine gewisse Begeisterung zu bemerken war, dominierten
insbesondere bei den Älteren eher sorgenvolle gedanken im
Hinblick auf die kommenden Ereignisse.
Wenige tage später erfolgten die ersten Maßnahmen
zur mobilmachung: militärpflichtige wurden eingezogen,
landsturmmänner trafen sich am städtischen Hopfenhaus
unweit des heutigen Kreiskrankenhauses und die ersten
truppentransporte passierten den Bahnhof auf ihrem Weg
nach Westen.
Auch am Gymnasium waren bald erste Auswirkungen
bemerkbar. Immer mehr der älteren Schüler wurden
eingezogen oder meldeten sich freiwillig zu den Waffen.
Bald waren die Reihen so stark gelichtet, dass ein teil der
oberen Klassen zusammengelegt wurde. Insgesamt nahmen
28 lehrer und 217 Schüler als Freiwillige oder auf Grund
von Einberufung am Kriegsgeschehen teil. Viele von ihnen
versuchten auch im Feld die Verbindung zu ihrer Schule
aufrecht zu erhalten. Eine Auswahl von Feldpostbriefen
und Karten, oft adressiert an Rektor Dr. Bernhard Krieg,
bezeugen, dass sie sich auch weiterhin eng mit ihrer
Schule verbunden fühlten. Die Motive der in der Ausstellung
gezeigten Bildpostkarten vermitteln einen Eindruck vom
Geist dieser Zeit.
Den schulischen Alltag in Ehingen kennzeichneten wegen
lehrermangel ausgefallene Unterrichtsstunden, Ferien zur
Verrichtung landwirtschaftlicher Arbeiten, darüber hinaus
wurden Notzeugnisse und Notprüfungen üblich.
Die Kriegserlebnisse der ausmarschierten Ehinger konnten
im Rahmen der Ausstellung freilich nur ansatzweise
thematisiert werden. Dennoch, die Hinterlassenschaften
des gefallenen Kanoniers Karl Henle (1892-1916), ein Brief
des späteren Bürgermeisters Dr. Hans Henger (1886-1952)
an seinen Vater sowie ein Wrackstück, das der damalige
Matrose der Kriegsmarine, Heinrich Vosseler (geb. 1895),
aus der Seeschlacht im Skagerrak (31.Mai/1.Juni 1916)
mitbrachte, geben Hinweise, was diese erlebten.
Auch viele andere Ehinger brachten bei Kriegsende
Erinnerungsstücke,
Ausrüstungsteile,
Munition
und
Munitionsteile, Bilder und Dokumente nach Hause, die
später als sogenanntes
„Kriegsmuseum“
eine Abteilung
innerhalb der Sammlungen des Bezirksaltertumsvereins
bildeten. Sie stehen für eine Erinnerungskultur, wie sie in
der unmittelbaren Nachkriegszeit, dann aber auch in der Zeit
des Nationalsozialismus in weiten teilen der Bevölkerung
bestand.
Der Alltag der Zivilbevölkerung wurde im laufe des Krieges
immer mehr von Einschränkungen und wachsenden
Versorgungsproblemen auf nahezu allen Gebieten geprägt.
Mit Hilfe einer ausgeklügelten Bewirtschaftungsbürokratie,
mit Bezugsscheinen für alles und jedes, versuchte man
die immer schwieriger werdende Versorgungslage in den
Griff zu bekommen. Hinzu kamen große Anstrengungen
zur Sammlung und Nutzbarmachung aller vorhandenen
Ressourcen. Von besonderem Wert für die Kriegswirtschaft
und Rüstung waren natürlich Metalle. So mussten noch im
Juni 1917 Glocken und kupferne Dacheindeckungen von der
Konviktskirche abgeliefert werden.
Darüber hinaus wurde, wie die ausgestellten Dokumente
belegen, nahezu alles gesammelt: von Altpapier bis hin zu
Knochen, Obstkernen, Brennnesseln und Heilkräutern. Dabei
wurden insbesondere die schüler in die Pflicht genommen,
wobei Dr. Krieg (1868-1943) als Rektor des Gymnasiums
eine wichtige Rolle spielte. Seinem Sammeleifer verdanken
wir es, dass wir über einschlägige Unterlagen in großer Zahl
verfügen, die einen guten Überblick über derartige Aktivitäten
ermöglichen.
Zur Finanzierung der horrenden Kriegskosten wurde bis
unmittelbar vor Kriegsende zur Zeichnung von Kriegsanleihen
aufgerufen. Da diese nach der Niederlage nicht zurückgezahlt
wurden, verloren viele auf diese Weise Ersparnisse, die sie
im laufe vieler Jahre zurückgelegt hatten.
Auchdasmit denKämpfenundKriegshandlungenverbundene
menschliche Elend blieb den Ehingern in der Heimat nicht
lange verborgen, denn schon bald nach Kriegsbeginn richtete
der landesverein vom Roten Kreuz in den Gebäuden des
Bezirkskrankenhauses an der Spitalstraße ein sogenanntes
Vereinslazarett ein. Hier wurden neben leicht- auch
Schwerverwundete behandelt.
Bald machte auch die Kunde von den ersten Gefallenen
die Runde. todesanzeigen gefallener Bürgerssöhne in der
lokalzeitung wurden alltäglich. Bei Kriegsende zählte man,
zusammen mit den heutigen 17 teilorten, schließlich 480
Gefallene oder Vermisste. Die Erinnerung an sie halten die
zahlreichen Krieger- beziehungsweise Gefallenendenkmäler
der Kirchen- und bürgerlichen Gemeinden wach.
Wie zahlreiche zeitgenössische Veröffentlichungen belegen,
einige waren in der Ausstellung zu sehen, nahm der Krieg
nach 1918 im kollektiven Gedächtnis und Bewusstsein
der Menschen einen gewichtigen Platz ein, zumal man
sich in weiten Kreisen
„im Felde unbesiegt“
wähnte. Erst
später trat die Erinnerung an den nun sogenannten
„Ersten
Weltkrieg“
gegenüber der zweiten großen Katastrophe des
20. Jahrhunderts, den
„Zweiten Weltkrieg“
, in den Hintergrund.
86 Jahrbuch Ehingen 2014
Jahrbuch Ehingen 2014 87
MUSEUM UND HIStORISCHES
Oberbürgermeister Alexander Baumann und Landrat Heinz Seiffert
(Bildmitte) mit Vertretern der Stadt und Museumsgesellschaft inmitten der
Kreuzigungsgruppe in der Spitalkapelle.
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