Jahrbuch Ehingen 2017 45
Maria Theresias (13.05.1717 – 29.11.1780), der Erzherzogin
von Österreich und ungarischen Königin, an die in diesen
Tagen erinnert wird, kommen auch immer wieder die
Reformen und Modernisierungsmaßnahmen in den Blick, die
mit ihrem Namen sowie deren ihrer Söhne und Nachfolger
Josephs II. (1741-1790) sowie Leopolds II. (1742-1792)
verbunden sind. Die Habsburger Monarchen hatten schon
zu ihrer Regierungszeit im 18. Jahrhundert das Ziel, in
ihrem gesamten Reich das Vertrauen in den Staat und
die Vernunft seiner Einrichtungen zu stärken. Diese und
weitere Vorstellungen zwangen sie zu einschneidenden
administrativen Reformen zur Stärkung des Militärs sowie zur
Schaffung eines effizienten und zentralisierten Staates. Ziel
war, das Sammelsurium geographisch zersplitterter und bis
dahin autonomer Königreiche und Territorien in die Provinzen
eines zentralisierten Staatswesens zu verwandeln. Auch
viele ökonomische Maßnahmen dienten diesem politischen
Ziel. In den 1770er Jahren hatten die Reformanstrengungen
Maria Theresias bereits so gut wie alle denkbaren Aspekte
des öffentlichen Lebens und der Politik in irgendeiner
Weise berührt. Dies gilt für die Verwaltungsorganisation, die
Religionsausübung ebenso wie für Erziehung und Bildung,
für den Justizvollzug wie für landwirtschaftliche Techniken.
Weiterhin wurde mangelnde Bildung als zentrale Ursache für
Armut und soziales Elend erkannt, was 1774 zur Einführung
der allgemeinen Schulpflicht für Kinder - Jungen wie Mädchen -
zwischen sechs und zwölf Jahren in der gesamten Monarchie
führte. Kirchliche Angelegenheiten kamen, abgesehen von
rein spirituellen, zunehmend unter staatliche Aufsicht, was
bei uns in Ehingen das Ende des Franziskanerinnenklosters
St. Elisabeth im Groggental bedeutete. Und wenn nicht
später manches Dekret wieder zurückgenommen worden
wäre, ist durchaus denkbar, dass - wie viele andere
Prozessionen - auch die morgige Fronleichnamsprozession
längst verschwunden wäre. In ihrem Bestreben, das Reich
zu zentralisieren, fand die übernationale Monarchie immer
neue Möglichkeiten, die Spannungen zwischen zahlreichen
unterschiedlichen Völkern, Sprachgruppen und Religionen
auszugleichen und zu entschärfen. Aus einem Konglomerat
verschiedener Herrschaftsgebiete und Reiche entwickelte
sich die Donaumonarchie. Die verschiedenen Völker lebten
in einem Kulturraum zusammen, der sie verband und zum
Austausch anhielt. Vielfalt an Sprachen und Traditionen
wurden als Möglichkeit erfahren, den weiten Raum der
Monarchie – zu dem auch Ehingen gehörte - zu ihrem
Vorteil zu nutzen. Als Österreicher waren sie Glieder eines
großen Reiches und konnten sich verständigen und in Vielfalt
geeint miteinander auskommen. Verteidiger der Monarchie
sahen darin die Zukunft Europas vorweggenommen, die
unweigerlich einem Verband vieler Völker entgegenstrebte,
in dem Vielsprachigkeit selbstverständlich sein würde und die
regionalen Sonderformen einander ergänzen würden. Eine
Monarchie wollen wir heute nicht mehr. Aber vielleicht hilft
der Blick zurück in das alte Europa, die Herausforderungen
des heutigen Europas besser zu verstehen und das
Zusammenleben in Vielfalt zu fördern.“