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Ehingen und PreuSSen

von

Ludwig Ohngemach

In diesem Jahr 2012 wird der dreihundertste Geburtstag

Friedrichs II. von Preußen begangen. Zunächst

könnte man annehmen, dass auf Grund des großen

geographischen Abstandes zu Preußen unsere Stadt

wenig mit Friedrich und seinem historischen Wirken

verbindet. Bei näherer Betrachtung werden aber dann

doch deutliche Auswirkungen der damaligen Zeitläufte

auf Ehingen erkennbar.

Seit 1756 stand Friedrich im sogenannten Siebenjährigen

Krieg (1756-63) in militärischen Auseinandersetzungen

mit Maria Theresia. Um diese finanziell durchstehen zu

können, war die Habsburger Monarchie gezwungen,

die Modernisierung ihrer Verwaltung nachdrücklich

voranzutreiben. Ein Ergebnis dieser Bemühungen waren

die sogenannten Maria-Theresianischen Reformen, in deren

Gefolge auf lokaler, Ehinger Ebene der sogenannte von

Ramschwagische Rezess

aus dem Jahre 1756 erlassen

wurde. In ihm haben wir das maßgebliche städtische

Verfassungsdokument vor uns, das bis zum Übergang an

Württemberg gültig blieb.

Preußische Kriegsgefangene in Ehingen

Weniger bekannt ist der Umstand, dass Ehingen, wenn auch

nur für vergleichsweise kurze Zeit, eine größere Anzahl

preußischer Soldaten aufzunehmen hatte, die während

der ersten Kriegsjahre in österreichische Gefangenschaft

geraten waren.

1759 hatte man in St. Blasius den Sieg der Österreicher

unter den Generälen Ernst von Laudon und Leopold Joseph

von Daun über Friedrich II. bei Kunersdorf am 12. August

mit einem zweimaligen Te Deum begangen und auch am

Namenstag der Kaiserin imOktober hatte – wie jedes Jahr – in

St. Blasius in Anwesenheit der Amtsträger und Honoratioren

der Stadt ein feierliches Amt stattgefunden.

Ein Jahr später, im Oktober 1760, sind dann erstmals

preußische Kriegsgefangene in Ehingen zu belegen. Am

9. Dezember sollen gar 2000 Gefangene nach Ehingen

gekommen sein – eine gewaltige Belastung angesichts einer

damals etwa gleich großen Einwohnerzahl.

Soweit möglich wurden die Soldaten in Massenquartieren

untergebracht. Genannt werden der Rennhof auf dem

Gänsberg, das Schlösschen am Marktplatz, der Marchtaler

Hof sowie das Schulhaus neben der Kollegiumskirche,

heute als Spethscher Hof bekannt. Die zugehörigen

Wachmannschaften, die von den Mitgliedern des

Schwäbischen Reichskreises gestellt wurden - genannt

werden ein Baden-Durlachisches, ein Baden-Badisches

Regiment, aber auch Württembergische Soldaten - ,

belegten einige Gast- und Bürgerhäuser. Insgesamt war

die Raumnot offenbar so groß, dass die Schüler des

Benediktinerkollegs, die üblicherweise bei Bürgerfamilien

lebten, kein Unterkommen mehr fanden.

Die tägliche Versorgung und Ernährung einer solch großen

Anzahl von Menschen machte umfangreiche Vorkehrungen

notwendig. Im Oktober 1760 traf eigens ein königlich-

preußischer Kommissar Absprachen mit den ortsansässigen

Bäckern über das „Comissbrodtbachen“.

Im Straßenbild fielen die Gefangenen durch ihre preußisch-

blauen Uniformen auf, wenn sie zumindest gelegentlich zu

Arbeiten in der Stadt herangezogen wurden. Bei Bedarf

bediente man sich gerne besonderer Kenntnisse und

Fähigkeiten, über die Einzelne verfügten. Sebastian und

Joseph Kämmerling etwa waren nicht unwesentlich an

Reparaturarbeiten in der Heckenmühle beteiligt.

Öffentliche Sicherheit und Sittlichkeit

Für die öffentliche Sicherheit sorgten die bürgerliche

Nachtpatrouille sowie eine sogenannte Schildwache, die

aus Wachsoldaten bestand. Angesichts der großen Anzahl

offenbar durchaus attraktiver Männer war eine gewisse

Gefährdung der Sittlichkeit in der Stadt nicht von der Hand

zu weisen. Wie zahlreiche Ratsdekrete belegen, nahm die

Anzahl außerehelicher Schwangerschaften und Geburten

deutlich zu. Bereits im Januar 1761 gab Catharina Hänlin

mit Andreas Rott einen Angehörigen eines Kürassier-

Regimentes als Vater ihres noch ungeborenen Kindes an.

Wie in solchen Fällen üblich, wurde sie auf Anordnung des

Magistrats eine Stunde „mit dem gewohnlichen Zeichen auff

den Marckht“ an den Pranger gestellt und hatte anschließend

die Stadt „auf Jahr und Tag“ zu verlassen.

Nur sehr selten entwickelten sich aus derartigen Verhältnissen

dauerhafte Verbindungen. Immerhin ist ein Fall überliefert, in

dem die betreffende Bürgerstochter den Magistrat um seine

Heiratserlaubnis mit einem Soldaten bat, um mit diesem

anschließend nach Ungarn auswandern zu können.

Abzug der Kriegsgefangenen

Zu Anfang des Jahres 1763 mehrten sich die Anzeichen,

dass ein Ende der Einquartierungen bevorstehen könnte.

Schließlich verließen die Gefangenen und ihre Bewacher am

Sonntag nach Ostern 1763 die Stadt wieder.

Insgesamt bedeuteten die rund zweieinhalb Jahre dauernden

Einquartierungen für die Bürgerschaft zweifellos eine

schwere Belastung und brachten große Einschränkungen

mit sich. Andererseits dürften die Aufträge staatlicher

Stellen zur Versorgung der Soldaten einem mittleren

Konjunkturprogramm für die städtische Handwerkerschaft

gleichgekommen sein.

Oberbürgermeister Alexander Baumann ging in seiner

Ansprache beim Zapfenstreich am Vorabend von

Fronleichnam auf genau dieses Kapitel der Stadt Ehingen

ein.

Allgemeines 2012

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Umweltschutz wird groSSgeschrieben

Um einen Beitrag zur ökologischen Nachhaltigkeit für zukünf-

tige Generationen zu leisten, genießt das Thema Umwelt-

schutz bei der Stadt einen hohen Stellenwert. Verschiedene

Projekte wurden in diesem Jahr durchgeführt. Beispielhaft

sollen hier einige wenige vorgestellt werden:

Lärche markiert Abschluss

des Flächenausgleichs

Nicht nur den „Tag des Baumes“, sondern auch den Ab-

schluss der Ausgleichsmaßnahmen zur „3. Erweiterung Lieb-

herr“ haben Oberbürgermeister Alexander Baumann und

Jürgen Abele vom Liebherr-Werk zum Anlass genommen,

zwischen Altsteußlingen und Dächingen eine europäische

Lärche zu pflanzen. „Insgesamt 28 Hektar Flächenausgleich

für insgesamt 1,26 Millionen Euro hat anlässlich der letzten

Liebherr-Erweiterung stattgefunden. Die Ausgleichsfläche

wurde auf den Gemarkungen Dächingen und Altsteußlin-

gen bereitgestellt“, betonte Oberbürgermeister Baumann.

Die europäische Lärche, Baum des Jahres 2012, steht auf

dem höchstgelegenen Punkt der Gemarkung Altsteußlingen,

direkt gegenüber der Abzweigung der B 465 in Richtung Dä-

chingen auf einer landwirtschaftlich nicht genutzten Fläche.

Eine Lärche wurde symbolisch als Abschluss der Ausgleichsmaßnahmen der

aktuellen Liebherr-Erweiterung auf der Alb gepflanzt.

Steinriegel zwischen

AltsteuSSlingen und Dächingen

25 Schüler der Klasse 7a der Ehinger Längenfeldschule

haben im Juli zwei Tage an einem Steinriegel zwischen Alt-

steußlingen und Dächingen gebaut. Nachdem das Stadtbau-

amt und die Stadtgärtnerei die Grundform eines riesigen Fuß-

abdrucks mit 120 t Kalksteinen aus dem Steinbruch Kirchen

aufgeschichtet hatten legten die Schüler mit Vertreterinnen

der Frauengruppe Besinnungsweg Dächingen um Ingeborg

Striebel, Annette Springer und Theresia Klöble, einen terras-

senförmigen Garten an, der nach und nach mit albtypischen

Kräutern bepflanzt werden soll. Das ökologische Projekt wird

Eidechsen und wärmeliebende Kleinlebewesen einen neuen

Lebensraum bieten.

Schüler der Längenfeldschule bauten einen Steinriegel im Biophärengebiet

Ehinger Alb.

Sanierung der Ziegelhoflinde

Durch einen Sturm in den Sommermonaten wurde ein Teil

der Baumkrone der rund 600 Jahre alten Ziegelhoflinde hin-

ter dem Jägerhof beim Wanderweg Richtung Stoffelbergka-

pelle stark beschädigt. Die Linde musste grundlegend sa-

niert werden. Krone und Seitenäste der stärksten Linde der

Albhöhe mit einem Stammumfang von 9,45 Metern wurden

eingekürzt und die beiden Hauptäste mit einem selbst konst-

ruierten Gerüst abgestützt.

Die Ziegelhoflinde beim Jägerhof.

64 Jahrbuch Ehingen 2012

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