44 Jahrbuch Ehingen 2016
mAI 2016
Zapfenstreich
Auch dieses Jahr lockte der traditionell am Vorabend
von Fronleichnam stattfindende Große Zapfenstreich der
Ehinger Bürgerwache viele Bürgerinnen und Bürger auf
den Marktplatz. Gespannt warteten sie auf den Aufmarsch
des Musikzugs unter der Leitung von Thomas Wieser, des
Spielmannszugs unter der Leitung von Tambourmajor
Jürgen Zeller und der drei Züge der Historischen Bürgerwehr.
Abermals dabei war der Ehrenzug der Bundeswehr unter der
Leitung von Oberstleutnant Alois Wagner, Kommandeur des
Partnerbataillons der Bundewehr in Ulm. Der Kommandant
der Bürgerwache Josef Stocker begrüßte die Bürger und die
Ehrengäste wie Ehrenoffizier Kurt Werner und Ehrenleutnant
Berthold Widmaier, die Bundestagsabgeordneten Heinz
Wiese und Ronja Schmitt, Generalmajor Klaus Habersetzer,
den Vorsitzenden der Bürgerwache Johann Krieger
sowie den ehemaligen Generalinspektor der Bundeswehr
Wolfgang Schneiderhan. Zu den Klängen des Preußischen
Präsentiermarsches schritten Kommandant Josef Stocker
und Oberbürgermeister Alexander Baumann die Front der
angetretenen Soldaten ab. Der Oberbürgermeister ging
in seiner Rede auch auf die Errichtung des Wolfertturmes
vor 125 Jahren ein. Damit eng verbunden seien Werte
wie bürgerschaftliches Engagement sowie Heimat- und
Traditionspflege.
Hier ein Auszug aus der Rede von Oberbürgermeister
Alexander Baumann am Abend des Großen Zapfenstreichs:
„Heuer nun jährt sich die Errichtung des Wolfertturmes
zum 125sten Mal. Im März 1891 wurde ausgehend von
bürgerschaftlichem Engagement mit den Bauarbeiten
begonnen.
Diese hatten freilich eine längere Vorgeschichte, die
mit dem Namen des heute kaum mehr bekannten
Verschönerungsvereins verbunden ist. Dieser hatte sich 1870
in der „Linde“ gegründet und entspricht vielen vergleichbaren
Initiativen andernorts in diesen Jahren. Erklärte Ziele
waren, Gelder zu sammeln, Anträge und Vorschläge an
die bürgerlichen Kollegien, das heißt den Gemeinderat, für
Verbesserungen und Verschönerungen zu machen sowie ein
Augenmerk auf die Instandhaltung dieser Verschönerungen
zu richten.
An das Wirken des damals neuen Vereines knüpfte der
Berichterstatter im Volksfreund für Oberschwaben die
Erwartung, „dass die Stadt Ehingen, die mehr und mehr in
den großen Weltverkehr hereingezogen wird, immer mehr an
Reinlichkeit, Freundlichkeit und Lieblichkeit für Einheimische
und Fremde zunehmen möge.“
Immerhin war Ehingen seit dem Vorjahr, seit 1869,
Eisenbahnstation geworden.
Dass der Verein bereits bei der Gründungsversammlung 73
Mitglieder zählte, die bereit waren 30 Kreuzer Jahresbeitrag
zu bezahlen, belegt die Zugkraft dieser Initiative.
Bald stellten sich erste Erfolge ein. Noch im März beschloss
der Gemeinderat auf Antrag des Vereins Sitzbänke um
die Stadt herum aufzustellen und auf dem Marktplatz
Kastanienbäume zu pflanzen.
Im April kaufte der Verein auf demWolfert, dessen Name sich
übrigens nicht von Wolf sondern von „Wohlfahrt“ [„Wollfahrt“]
herleitet, einen Acker „ zum Zwecke der Herstellung einer
Anlage und eines Bellvedere“, also eines Aussichtspunktes.
Ermöglicht wurde dies durch den Verkauf von Aktien an die
Vereinsmitglieder, wobei aber auch die Stadtkasse einen
Beitrag leisten sollte. Andererseits war vorgesehen, dass
das Grundstück samt Anlage in das Eigentum der Stadt
übergehen sollte.
In der Folge tätigte der Verein weitere Grundstückskäufe, um
die Anlage zu erweitern.
1880 war das Denkmal für die im Krieg gegen Frankreich
1870/71 gefallenen Angehörigen des Bezirks errichtet
worden. Erwähnenswert ist dabei der Umstand, dass in
diesem Zusammenhang auch eine Friedenslinde gepflanzt
wurde.
Dem Gemeinderatsprotokoll kann man entnehmen, dass es
die Stadt war, die im Herbst 1889 benachbartes Gelände zur
Errichtung eines Aussichtsturmes ankaufte. Man nahm damit
unter dem Titel „Kaiser-Wilhelm-Turm“ die alte Idee des
Verschönerungsvereines – ich erinnere an das Belvedere
(den Aussichtspunkt) – wieder auf. Allerdings erhielt der
Turm nun zusätzlich die Funktion eines Denkmals, das an
den populären Reichsgründer Kaiser Wilhelm I. erinnern
sollte, der kurz zuvor, 1888, verstorben war.
Unter der energischen Federführung des Stadtschultheißen
Franz Josef Müller, der seit 1863 die Geschicke der Stadt
leitete, wurde die Realisierung zügig in Angriff genommen.
Im Februar 1891 stellte Müller das Vorhaben den bürgerlichen
Collegien vor, die dann auch ihre Zustimmung gaben. Noch
in derselben Sitzung wurde Werkmeister Max Buck mit der
Ausführung betraut. Die Bauarbeiten begannen im März
1891.
Auf den 18. März lud Stadtschultheiß Müller im Namen
der bürgerlichen Kollegien die interessierte Bürgerschaft
in die Sprißler´sche Bierhalle an der Lindenstraße zu einer
Versammlung und Besprechung über den Bau des Turms
auf dem Wolfert.
Neben den Plänen wurde dort auch die Finanzierung
thematisiert,
wozu
offenbar
auch
Gelder
des
Verschönerungsvereins vorgesehen waren. Weitere
Mittel sollten durch die Ausgabe von unverzinslichen
Aktien beschafft werden, die später durch Gelder, die der
Verschönerungsverein aufbringen sollte, getilgt werden
sollten.
Der Verschönerungsverein, dessen Aktivitäten offenbar
zwischenzeitlich eingeschlafen waren, sollte zu diesem
Zweck demnächst wieder belebt werden.
Diese „Rekonstituierung“ des Verschönerungsvereins
erfolgte dann schließlich im November in einer weiteren
Versammlung in der „Linde“. Unverkennbar waren nun – im
Unterschied zum alten Verschönerungsverein – Honoratioren
und Amtsträger tonangebend.
Wenige Tage später konnten bereits Anteilscheine im Wert
von 10Mark erworben werden, die vomVerein ausgegebenen
wurden. Und schon nach wenigen Monaten Bauzeit war der
Turm im März 1892 fertiggestellt, wobei den Aktionären freier
Zutritt eingeräumt wurde.
Auch indenFolgejahrensetztesichderVerschönerungsverein
mit unterschiedlicher Intensität für die Weiterentwicklung
und Stadtbildpflege Ehingens ein und errichtete z.B. seinem
Vorstand Stadtschultheiß Müller noch 1914 einen Brunnen in
der Wolfertanlage.