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Jahrbuch Ehingen 2018 159

Vor 400 Jahren -

Beginn des Dreißigjährigen Krieges

In diesem Jahr jährt sich der Beginn des Dreißigjährigen

Krieges, der bekanntlich mit dem Fenstersturz von Prag am

23. Mai 1618 seinen Anfang nahm.

Von den Auswirkungen des damit ausgelösten Böhmisch-

Pfälzischen Krieges (1618-1623) und des sich anschließen-

den Niedersächsisch-Dänischen Krieges (1625-29) blieb

unser Raum weitgehend verschont, wenn man von Truppen-

durchmärschen und Einquartierungen absieht, die bereits

seit Mitte der 1620er Jahre auch in Süddeutschland an der

Tagesordnung waren.

Dies änderte sich mit dem Eintritt des protestantischen

Schweden in den Krieg 1630 schnell und grundlegend: denn

nach der Schlacht bei Breitenfeld nördlich von Leipzig im

September 1631, als der Schwedenkönig Gustav Adolph

II. ein kaiserliches Heer unter General Tilly vernichtend ge-

schlagen hatte, war deren Vormarsch nach Süddeutschland

nicht mehr aufzuhalten. Bereits im Oktober 1631 zogen die

ersten Schweden in Ulm ein. Streifzüge und Ausfälle in die

nähere und weitere Umgebung folgten. Im April 1632 begab

sich auch Ehingen unter schwedischen Schutz und erhielt

eine 200 Mann starke Garnison. Auch in Dettingen, Herberts-

und Dintenhofen lagen schwedische Reiter.

Nicht selten wurden eroberte Herrschaften und Gebiete an

Verbündete abgegeben. So erhielt zum Beispiel Herzog Jo-

hann Friedrich von Württemberg 1632 das Territorium der

Benediktinerabtei Zwiefalten. Das habsburgische Ehingen

ging in den Besitz des mit Schweden verbündeten Micha-

el von Freyberg über. Als sich die Schweden zeitweise zu-

rückzogen, wurde er allerdings von seinen neuen Untertanen

kurzerhand festgesetzt, als er sich von den Bürgern huldi-

gen lassen wollte. Nach der Rückkehr der Schweden im Juni

1632 richteten diese, wie die Franziskanerchronik berichtet,

ein Strafgericht an, das unter den Stadtbürgern und in den

umliegenden Ortschaften zahlreiche Todesopfer forderte.

Außerdem waren Plünderungen an der Tagesordnung, wie

entsprechende Vorfälle bei den Franziskanern oder im Frau-

enkloster im Groggental belegen.

Nach der Schlacht bei Nördlingen 1634 mussten sich die

Schweden aus Süddeutschland zurückziehen, das nun wie-

der von kaiserlichen Truppen besetzt wurde. Allerdings trat

in der Folgezeit 1635 Frankreich aktiv in den Krieg ein, um

eine Vorherrschaft Habsburgs zu verhindern. Im Verlauf der

anschließenden zahlreichen Kriegsjahre bewegten sich bis-

her nie gesehene Truppenmassen durch Deutschland. Dabei

handelte es sich um Söldner, die von Kriegsunternehmern,

zu den erfolgreichsten gehörten z. B. Wallenstein oder Bern-

hard von Weimar, aus allen Völkern Europas angeworben

wurden. Da sie über keine angemessene Logistik verfügten,

lebte diese wilde, hemmungslose und mörderische Solda-

teska, die oft gewaltige Trosse und große Viehherden mit-

führte, auf Kosten der Bewohner. Der Krieg ernährte den

Krieg. Quartierforderungen, Verpflegungsleistungen und ein

berüchtigtes Kontributionssystem, also die Erpressung von

Hilfsgeldern, belasteten die Bevölkerung, wobei man in der

Stadt weitaus besseren Schutz vor Gewalt und Willkür ge-

noss als auf dem flachen Land. In diesem Zusammenhang ist

auch Konrad Widerholt zu nennen, der seit Herbst 1634 als

Kommandant der württembergischen Festung Hohentwiel

durch seine Raubzüge in Süddeutschland, insbesondere –

aber nicht nur – in den Territorien der Habsburger Angst und

Schrecken verbreitete.

Schlechte Ernährung, Hunger, unhygienische Verhältnisse,

besonders bei Belagerungen, wenn sich Truppen länger an

einem Ort aufhielten, zogen Seuchen nach sich. Für lange

Zeit im Bewusstsein der Menschen tiefverwurzelt, waren die

damals dramatischen Bevölkerungsverluste. Zählte das Her-

zogtum Württemberg 1618 noch 450 000 Einwohner, waren

es 1634 100 000 Einwohner, 1645 120 000 Einwohner. Für

Oberschwaben nimmt man an, dass ein Drittel bis die Hälf-

te der Bevölkerung durch Aussaugung des Landes, Hunger

und Seuchen zugrunde ging. Frankenhofen soll am Ende des

Krieges menschenleer und unbewohnt gewesen sein.

Neben den Bürgern hatte auch die Stadt Ehingen als Ganzes

mit den Kriegsfolgen zu kämpfen. So musste zum Beispiel

1641 der Ernsthof, der seit 1539 im Besitz des Hl.-Geist-Spi-

tals war, an den Reichshofrat Dr. Konrad Hildebrand verkauft

werden, während der große Spitalstadel an der heutigen Ka-

sernengasse an die Universität Freiburg veräußert wurde.

Für die prekäre Lage der Stadt spricht auch der Umstand,

dass im Oktober 1644 eine von Widerholt geforderte Kontri-

bution nicht bezahlt werden konnte, da kurz zuvor Soldaten

das Vieh von der Weide weggetrieben hatten.

Der Friedenskongress von Münster und Osna-

brück (1641-48) und der „Westphälische Friede“

Angesichts dieser Umstände überrascht es nicht, dass bereits

1640 ein allgemeiner Erschöpfungszustand der verschiede-

nen Kriegsparteien erreicht war und sich allgemeine Kriegs-

müdigkeit breit machte. Auch wurde nun klar, dass weder die

auswärtigen Mächte vom deutschen Boden zu verdrängen

waren, noch diese dem Reich den Frieden diktieren konnten.

Die Versammlungen in Münster und Osnabrück, auf denen

die Friedensverträge bis Mai und Oktober 1648 erarbeitet

wurden, gelten daher als erster europäischer Friedenskon-

gress, waren daran doch immerhin 194 europäische Fürsten

mit 176 Bevollmächtigten beteiligt. Damals finden sich erste

Ansätze um ein System des Gleichgewichts zu etablieren. Es

fand eine Europäisierung der deutschen Politik statt in dem

Sinne, dass Friede im Reich nur unter Beteiligung fremder

Kronen, nämlich von Frankreich und Schweden, zu erreichen

war.

Landsknecht im Turm der Pfarrkirche St. Stephanus in Erbstetten.